Eine Umfrage der Economic Research-Abteilung der Credit Suisse und des Centers for Family Research der HSG bei 1300 Schweizer KMU zeigt, dass sich in diesen Unternehmungen in den nächsten Jahren ein bedeutender Generationenwandel im obersten Management vollziehen wird. Dreiviertel aller befragten KMU beschäftigen sich bereits jetzt mit der Nachfolgeregelung und bei jeder fünften KMU wird in den nächsten Jahren ein neuer oberster Chef den gegenwärtigen Unternehmer ablösen. Bis 2021 vollzieht sich hochgerechnet in 70’000 bis 80’000 KMUs in der Schweiz ein Generationenwechsel. Rund 75 % dieser KMUs sind Familienunternehmungen. Die Nachfolger werden, wie die Studie zeigt, zwar oftmals auch Familienangehörige sein. In der Mehrheit der Fälle ist aber auch eine Geschäftsübergabe an langjährige leitende Mitarbeitende oder aber ein Verkauf der KMU an externe Eigentümer vorgesehen.
Dieser Generationenwechsel ist deshalb von grosser Bedeutung, weil dadurch im bisherigen Stakeholdernetzwerk dieser KMU ein tiefgreifender Wandel zu erwarten ist. Die jetzigen Führungskräfte der KMU nehmen eine sehr starke Stellung ein. Sie sind die „Key-Stakeholder“ schlechthin. Sie sind nicht nur oberste Entscheidungsinstanz im Unternehmen. Sie sind oft als die Gründer der KMU die zentrale treibende Kraft, die primären Innovatoren und die (alleinigen) Eigentümer. Sie vertreten oft auch die besonderen Interessen einer Gründerfamilie und sind die primäre Ansprechstation für wichtige Kunden, Lieferanten und weiterer Stakeholder. Aufgrund langjähriger vertrauensvoller Beziehungen sind sie ein tragender Partner in den „Social Contracts“ mit wichtigen Stakeholdern geworden. Als Mitglieder der Baby-Boomer-Generation vertreten sie zudem ein spezifisches „Mindset“. Ihre Nachfolger werden demgegenüber oft einen weniger machtvollen Status haben und die Werte der sogenannten Generation X vertreten. Die Altersrücktritte der geburtenstarken Baby- Boomer-Generation führen zudem zu einer grossen Zahl von Unternehmensnachfolge-Fällen. Da gleichzeitig die nachfolgende Generation X deutlich langsamer wächst, könnte es, wie die Studie zeigt, zu einem Mangel an potentiellen Nachfolgern kommen. Dass bei einem Generationenwechsel an der Spitze einer KMU aufgrund dieser Sachverhalte oftmals ein fundamentaler Wandel bei wichtigen Beziehungen in ihrem Stakeholdernetzwerk stattfinden kann, ist offensichtlich. Aus einer Stakeholderperspektive ergeben sich dazu einige Überlegungen.
1. Wird die Stakeholdertheorie im Lichte des Generationenwechsels an der Spitze einer KMU gesehen, so sind die Besonderheiten eines stark auf ein Zentrum (Unternehmer) hin ausgerichteten Stakeholdernetzwerks von primärer Bedeutung (Erkenntnisse zur Netzwerkzentrizität).
2. Die Veränderungen in den Stakeholderbeziehungen werden im anstehenden Generationenwechsel bei den KMUs stark davon abhängen, ob die Nachfolger aus der Eigentümerfamilie, den bisherigen Mitarbeitenden oder aus dem vielfältigen Kreise externer Investoren stammen. Die Motivation und Einstellung wichtiger interner und externer Stakeholder (Mitarbeitende, Stammkunden etc.) wird davon stark betroffen. Hierzu wären vertiefte empirische Untersuchungen besonders wertvoll.
3. Der anstehende Generationenwechsel bei den KMU bedeutet auch einen Wertewandel von der Baby-Boomer-Generation zur Generation X. Sie vertreten unterschiedliche „Mindsets“. Davon sind besonders auch die „Social Contracts“ mit den Stakeholdern betroffen. Darauf ist im konkreten Falle der Nachfolgeregelung speziell zu achten; ein entsprechendes professionelles Stakeholdermanagement ist unerlässlich.
Weiterführende Quellen:
Die Publikation „Unternehmensnachfolge in der Praxis: Herausforderung Generationenwechsel“ ist unter www.credit-suisse.com/research (Schweizer Wirtschaft) verfügbar.
Zu den unterschiedlichen Leadership Styles der Generationen siehe z. B. Arsenault (2004).