Aspekte bei der Wahl des neuen Migros-Chefs

Die kürzlich erfolgte Wahl von Fabrice Zumbrunnen zum neuen Migros-Chef bietet aus einer People for People-Perspektive interessante Aspekte. Gemäss verschiedenen Medienberichten standen sich in der Endausmarchung zwei Kandidaten mit sehr unterschiedlichen Profilen gegenüber: Auf der einen Seite ein erprobter Manager mit operativem Leistungsausweis und mit zupackendem Temperament. Auf der anderen Seite Fabrice Zumbrunnen, Mitglied der Generaldirektion des Migros Genossenschaftsbundes, zuständig für die Bereiche Personal, Kulturelles, Soziales und Freizeit; eine auf Harmonie bedachte Persönlichkeit.

Die Wahl von Fabrice Zumbrunnen kann als Richtungsentscheid gesehen werden, bei welchem an der Spitze der Migrosgruppe der Kandidat, der eher People for People-Aspekte repräsentiert dem auf unmittelbaren Geschäftserfolg orientierten Gegenkandidaten vorgezogen wurde.

Bezüglich der Persönlichkeitsmerkmale des neuen Migros-Chef ist ein Text aus der NZZ vom 21.03.2017 interessant, der auf einer Auswertung von früheren Äusserungen des Gewählten beruht: «Mit Ehrfurcht spricht er auch von der «Migros-Philosophie» und den Werten, die unser Handeln definieren und ihm Sinn geben». Für ihn ist der Konzern nicht einfach nur eine Ansammlung von Unternehmen, sondern eine «Wertegemeinschaft». Eine andere Kernbotschaft Zumbrunnens betrifft das «soziale Kapital», bei dem «die gesellschaftliche Verantwortung und der einzelne Mensch Vorrang haben vor einer simplen Gewinnmaximierung». Nicht überraschend bei alledem ist, dass er Migros – ganz nach Duttweilers Vorstellung – in der Rolle des «vorbildlichen Arbeitgebers» sieht.  Bezüglich seiner Führungsphilosophie ist im Text der NZZ zu lesen: «Er vergleicht seine Rolle als Direktor mit der eines Dirigenten, der selbst keine Töne erzeugt, seine Musiker aber dazu animiert, gemeinsam harmonische Melodien zu spielen». Diese Zitate zeigen einen Chef, der sich wesentlichen Merkmalen einer People for People-Philosophie verpflichtet fühlt.

In den obigen Zitaten fokussiert Zumbrunnen primär das Innenverhältnis, das Selbstverständnis der Migros und die Wertegemeinschaft der Mitarbeitenden und des Kaders. Als oberster Chef des Migros Genossenschaftsbundes kann Zumbrunnen aber künftig vermehrt auch das Verhältnis zu externen Stakeholdern beeinflussen, zu Geschäftspartnern, zu Behörden und zu den vielfältigen öffentlichen Institutionen. Dabei wird seine Aussage zur gesellschaftlichen Verantwortung der Migros relevant. Migros als Grossverteiler hat ja beispielsweise eine enorme Marktmacht etwa gegenüber kleineren Zulieferern und Dienstleistern. Es wird sich zeigen, ob er im rauen Wind der Konkurrenz im Einzelhandel auch bei solchen Stakeholderbeziehungen die menschlichen Aspekte einbringen kann.

Aus einer Stakeholder-Perspektive ist bei der Wahl des neuen Migros-Chefs also speziell interessant:

  • dass der menschen- und werteorientierte Kandidat bevorzugt wurde,
  • dass er eine ausgeprägte People for People-Orientierung bei den Stakeholderbeziehungen im Inneren der Unternehmung hervorhebt und
  • dass er die gesellschaftliche Verantwortung als Prinzip beim Umgang mit externen Stakeholdern in den Vordergrund rückt.
Edwin Rühli

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Edwin Rühli ist emeritierter Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Zürich. 1970 gründete er dort das Institut für Betriebswirtschaftliche Forschung und leitete es bis zum Jahr 2000. Von 1984 bis 1990 war er Prorektor an der Universität Zürich. Im Frühlingssemester 1994 war er als erster Gastprofessor am Chazen Institute for International Management an der Columbia Business School in New York. Er war Mitglied verschiedener öffentlicher Beratungskommissionen und Verwaltungsratsmitglied bei mehreren Schweizer Firmen. Er ist Autor der Management-Bücher «Unternehmungsführung und Unternehmungspolitik I-III», welche in mehreren Auflagen veröffentlicht wurden. Er verfasste mehr als 200 peer-reviewed Publikationen im Bereich Internationales Management, Corporate Governance, Strategisches Management und Stakeholder Management. Er hat langjährige Erfahrung in der Hochschulbildung und in der Weiterbildung von Führungskräften. Heute ist er Senior Advisor am Institut für Strategisches Management: Stakeholder View der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. In den letzten zehn Jahren hat er eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln und als Co-Autor von Sybille Sachs mehrere Bücher über Stakeholdertheorie und Stakeholder Management publiziert.

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